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Yoga und Gottverwirklichung

Yoga bedeutet Vereinigung – die Vereinigung des Menschen mit dem Höchsten: Gott. Sri Chinmoy beschreibt die drei klassischen Yoga-Wege des Bhakti, Jnana und Karma-Yoga, die alle zur Selbst- oder Gottverwirklichung führen, und beantwortet verschiedene Fragen zu praktischen und allgemeinen Aspekten des Yoga.

Was ist die ewige Frage des Menschen?

Sri Chinmoy:
Die ewige Frage des Menschen ist: „Wer ist Gott?“ Gottes unmittelbare Antwort ist: „Mein Kind, wer ist Gott, wenn nicht du?“

Was bedeutet Gott-Verwirklichung eigentlich? Hängt sie mit dem Yoga zusammen?

Sri Chinmoy:
Gott-Verwirklichung oder siddhi bedeutet Selbstentdeckung oder Yoga – Vereinigung mit Gott - im höchsten Sinne des Wortes. Man erkennt und verwirklicht bewusst sein Einssein mit Gott. Solange der Sucher sich in der Unwissenheit befindet, wird er das Gefühl haben, dass Gott jemand ist, der unendliche Kraft hat, während er, der Sucher, der schwächste Mensch hier auf Erden ist. Doch in dem Moment, wo er Gott verwirklicht, erkennt er, dass er und Gott absolut eins sind, sowohl im inneren wie auch im äußeren Leben. Gott-Verwirklichung bedeutet Identifikation mit seinem absoluten Höchsten Selbst. Wenn man sich mit seinem Höchsten Selbst identifizieren und in diesem Bewusstsein für immer bleiben kann, wenn man es nach Belieben enthüllen und manifestieren kann, dann ist das Gott-Verwirklichung.
Wenn man Gott-Verwirklichung erlangt, bleibt man im Bewusstsein Gottes und spricht zu Gott von Angesicht zu Angesicht. Man sieht Gott sowohl im Endlichen als auch im Unendlichen; man erfährt Gott sowohl als persönlich wie auch als unpersönlich. Und in diesem Fall ist das keine Halluzination oder Vorstellung des Verstandes; es ist unmittelbare Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist wirklicher als dich hier vor mir zu sehen. Wenn man mit einem Menschen spricht, dann gibt es dabei immer einen Schleier von Unwissenheit – von Dunkelheit, Unvollkommenheit, Missverständnis. Aber zwischen Gott und dem inneren Wesen desjenigen, der Ihn verwirklicht hat, kann es keine Unwissenheit, keinen Schleier geben. Zu diesem Zeitpunkt kann man klarer, überzeugender, offener mit Gott sprechen als mit einem Menschen.
Als gewöhnliche Menschen fühlen wir, dass unendlicher Frieden, unendliches Licht, unendliche Glückseligkeit und unendliche göttliche Kraft reine Fantasie sind. Wir werden zum Opfer von Zweifeln, Ängsten und negativen Kräften, die wir für völlig normal und natürlich halten. Wir können nichts vollkommen lieben, nicht einmal uns selbst. Wir leben im Endlichen, wir streiten und kämpfen, und so etwas wie Frieden, Licht oder Glückseligkeit gibt es in uns nicht. Aber diejenigen, die Meditation und Yoga praktizieren, gehen tief nach innen und sehen, dass dort wirklicher Friede, wirkliches Licht und wirkliche Glückseligkeit existieren. Sie erhalten grenzenlose innere Kraft und sehen, dass Zweifel und Angst herausgefordert und überwunden werden können. Wenn wir Gott-Verwirklichung erlangen, wird unser inneres Dasein von Frieden, Gleichmut, Gelassenheit und Licht überflutet.

Besitzt jemand, der kein Yoga praktiziert hat, nach dem Tod denselben Grad an Einheit mit Gott wie jemand, der Yoga praktiziert?

Sri Chinmoy:
Nein. Nur jemand, der Yoga praktiziert hat, wird schließlich bewusstes Einssein mit Gott erfahren. Er wird Gott hier auf Erden und dort im Himmel sehen. Nur weil man den Körper verlässt, geht man nicht unmittelbar zu Gott. Für Gott-Verwirklichung muss man hier auf der Erde sein. Es ist reine Torheit zu glauben, dass wir direkt zu Gott fliegen, wenn wir den Körper verlassen. Nein, so ist es nicht. Man muss Ihn hier auf Erden verwirklichen. Nur indem man auf die Gebote der Seele hört, kann man Gott hier auf Erden verwirklichen. Ansonsten bräuchten wir einfach nur Selbstmord zu begehen, um Gott nach dem Tode zu verwirklichen. Jeder würde in der Lage sein, die Welt zu verlassen und zu Gott zu fliegen.

Wenn ein Mensch Yoga praktiziert, was für ein Leben führt er dann in seinen täglichen Aktivitäten?

Sri Chinmoy:
In seinen täglichen Aktivitäten muss er zuerst einmal aufrichtig, ehrlich und rein sein. Er muss Reinheit in seinem Verstand, in seinem Körper, in seiner Rede und in seinen Gedanken haben. Jedermann kann Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Reinheit üben. Wenn er dann wirklich den Yoga, den tieferen Yoga praktizieren will, muss er sich jeden Tag mindestens fünfzehn Minuten lang seiner inneren Suche, seiner Selbstentdeckung widmen. Diese fünfzehn Minuten der Meditation muss er von jemandem lernen, der ihn lehren kann. Er braucht einen Lehrer für die Meditation, für seine innere Erleuchtung. Der Sucher muss wissen, wie aufrichtig er ist oder wie weit er gehen möchte, wie intensiv er Yoga praktizieren will. Wenn er fühlt, dass er bis zum Ende des Weges gehen möchte, dass er das Ziel erreichen will, dann muss er einer strengen inneren Disziplin folgen und er muss meditieren, sich konzentrieren und so weiter. Wenn er jedoch mit ein wenig Frieden, Freude und Licht zufrieden sein möchte, dann trifft das zu, was ich am Anfang als Antwort auf deine Frage sagte: Dann soll er in all seinen Aktivitäten vollkommen aufrichtig sein.

Also hat das, was diese Person getan hat, nichts mit Yoga zu tun?

Sri Chinmoy:
Es hat sehr wenig mit dem wahren Yoga zu tun. Yoga bedeutet „Vereinigung mit Gott“. Wenn jemand Wunder vollbringt, dann hilft er dir weder direkt noch indirekt, Gott zu verwirklichen. Wir lernen höchstens von ihm, dass den menschlichen Fähigkeiten keine Grenzen gesetzt sind. Wenn man in die geheimen Bereiche vordringt, wo die innewohnenden Kräfte der kosmischen Wirklichkeiten existieren, dann kann man die Fähigkeit erhalten, alles zu tun.
Ich kenne eine amüsante Geschichte von einem Fakir in Indien, der genau diese Übung zu zeigen pflegte, die du erwähnt hast. Er konnte lange Zeit begraben sein und lag sehr häufig bis zu einundzwanzig Tagen unter der Erde. Einmal geschah es, dass er nach einer solch langen Zeit wieder ausgegraben wurde, und in dem Moment, als er das Bewusstsein wieder erlangte, sah er sich wie wild nach seiner Freundin um, die unter seinen Verwandten, Freunden und Bewunderern stand. Nachdem er seine Liebste entdeckt hatte, verließ er mit ihr sofort den Platz. Half seine ungewöhnliche Leistung den Zuschauern nun auf irgendeine Weise in ihrem Streben nach Gott-Verwirklichung? Urteile selbst. Indem wir diese Wunder vollbringen, inspirieren wir andere Menschen in keiner Weise, sich mit Gott zu verbinden, doch wenn wir jemandem in seinem inneren Streben, in seiner Konzentration und Meditation unterstützen, dann helfen wir ihm, Gott zu verwirklichen.

Kürzlich las ich von einem Menschen, der für achtzehn Tage lebendig begraben wurde und dann fähig war, wieder lebendig ans Licht zu kommen. Gibt es eine Beziehung zwischen diesen Dingen und Yoga?

Sri Chinmoy:
Meine Lehre hat nichts mit Wunderkrämerei zu tun. Mir geht es darum, dem Suchenden zu helfen, Gott zu erfahren. Wenn jemand Gott verwirklichen möchte, dann versuche ich, ihm dabei zu helfen. Indem ich mich achtzehn Tage lang lebendig begraben lasse oder andere Wunder vollbringe, kann ich meine Schüler jedoch weder zu Gott führen noch ihnen auf ihrer spirituellen Suche helfen. Was uns zu Gott führt, ist unser inneres Streben, unser innerer, empor steigender Ruf. Daher bin ich kein Befürworter dieser Art von Wundern.
Was ich von meinen Schülern will, ist diese innere Sehnsucht. Ein Kind sehnt sich nach der Liebe seiner Mutter; und ein spirituelles Kind braucht und will unendliche Liebe von Gott. Wie kann es diese Liebe bekommen? Indem es Gott erlangt und verwirklicht. Meine Philosophie und Spiritualität unterscheidet sich von denen, die nur darauf aus sind, übernatürliche Fähigkeiten zur Schau zu stellen und zu lehren.

Die meisten Leute, die Yoga nicht kennen, neigen dazu, sich unter einem Yogi jemanden vorzustellen, der mit gekreuzten Beinen dasitzt, auf dem Kopf steht oder andere spezielle Übungen macht. Wie oder warum übt ein Yogi solche Dinge?

Sri Chinmoy:
Manche Menschen führen diese Übungen aus, um ihren Körper fit zu halten, um Krankheiten vorzubeugen und dergleichen, während andere es tun, um Verwirklichung zu erlangen. Aber Verwirklichung kann niemals erlangt werden, indem man nur Hatha Yoga praktiziert. Diese Übungen helfen jedoch dem Sucher, in das wahre spirituelle Leben einzutreten.
Am Anfang liest ein Kind laut, um seine Eltern zu überzeugen, dass es liest. Ein Erwachsener liest still. In der physischen Welt ist es ähnlich. Die meisten von uns sind im Augenblick sehr rastlos, nicht viel besser als Affen. Wir können es kaum länger als eine Sekunde aushalten, ohne unruhig zu werden. Aber es gibt Sucher, die sich einfach hinsetzen und ihren Verstand ruhig und still machen können und dann in die tieferen Schichten ihres Wesens eintreten. Diese physischen Übungen nun können unseren Körper entspannen und uns für kurze Zeit Frieden im Verstand schenken.
Allerdings werden uns diese Übungen niemals Verwirklichung schenken. Es sind nur Vorstufen. Die Anfänger im Hatha Yoga sind wie Kindergartenkinder. Man kann den Kindergarten leicht überspringen. Aber nach dem Kindergarten müssen wir auf die Grundschule, ins Gymnasium und dann zur Universität gehen. Konzentration, Meditation und Kontemplation werden in den höheren Klassen unterrichtet. Ansonsten würden alle Sportler, Boxer und Ringer schon Gott verwirklicht haben, nur weil sie ihren Körper mit Übungen trainieren und stärken.
Hatha Yoga-Übungen sind manch anderen Übungen, die abrupt, heftig und in gewisser Weise gewaltsam ausgeführt werden, überlegen. Wenn Hatha Yoga-Übungen ruhig, still und in einer meditativen Haltung ausgeführt werden, dann stärken sie die Nerven und beruhigen den Verstand.
Wir brauchen den Körper. Wir brauchen einen kräftigen und gesunden Körper, damit die Seele im und durch den Körper im Bereich der Manifestation wirken kann. Doch wenn wir mehr vom Körper erwarten, dann sind wir töricht.

Wie kommuniziert man im Yoga mit Gott?

Sri Chinmoy:
Im Yoga beten wir, konzentrieren uns und meditieren. Wenn wir beten, erhalten wir das innere Gefühl, emporzusteigen, das heißt wir fühlen, dass wir mit unserem Herzen nach etwas Höherem rufen. Wenn wir uns konzentrieren, richten wir unsere ganze intensive Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand oder eine Person, um uns damit zu identifizieren. Wenn wir meditieren, treten wir in die tieferen Ebenen des Bewusstseins ein. Diese drei Wege – Gebet, Konzentration und Meditation – sind die effektivsten Wege, um mit Gott zu kommunizieren.

Ich frage mich, ob Yoga Teil einer indischen Religion ist oder eine Religion in sich selbst?

Sri Chinmoy:
Yoga ist keine Religion. Yoga geht über alle Religionen hinaus. Er ist etwas unendlich viel Tieferes als Religion. Yoga ist der lebendige Atem, der uns fühlen lässt, dass Gott in uns, von uns und für uns ist. Yoga ist die unmittelbare Vereinigung mit Gott. Er lehrt uns, unsere Einheit mit Gott zu erlangen. Und gleichzeitig ist er die Sprache unseres inneren spirituellen Lebens. Im Augenblick spreche ich Englisch, um meine Gefühle, Gedanken und Ideen zu vermitteln. Genauso brauche ich eine Sprache, wenn ich mit Gott sprechen, mit Gott Zwiesprache halten möchte, und diese Sprache ist Yoga.

Kann jemand seine eigene Religion beibehalten und gleichzeitig Yoga praktizieren?

Sri Chinmoy:
Das ist durchaus möglich. Es ist sogar immer einfacher und sicherer, seine eigene Religion beizubehalten, wenn man beginnt, Yoga zu praktizieren. Doch wenn man durch das Üben des Yoga einmal Gott erfahren hat, dann überschreitet man alle Grenzen der Religion. Gott-Verwirklichung offenbart dir, dass jede Religion nichts anderes ist als ein Fluss, der letztlich in den grenzenlosen Ozean münden muss. Das letztendliche Ziel jeder Religion ist Gott-Verwirklichung. Und dabei bietet Yoga eine unvermeidliche Hilfe, um das endliche Menschenwesen in das unendliche Göttliche Selbst zu tragen.
Religion ist Inspiration. Yoga ist inneres Streben. Göttlichkeit ist Vollkommenheit. Inspiration, inneres Streben und Göttlichkeit können leicht und fruchtbar in transzendentaler Harmonie hier auf Erden erblühen.

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