warning: Creating default object from empty value in /var/www/srichinmoyantwortet.com/www/html/modules/taxonomy/taxonomy.pages.inc on line 33.

Gottverwirklichung, Selbstverwirklichung

Verwirklichung ist die höchste Form der Selbst-Entdeckung – die Erfahrung einer unmittelbaren Wirklichkeit jenseits aller mentalen Spekulation. Was uns von dieser Wirklichkeit trennt, ist unsere Unwissenheit – avidya. Wie können wir diese Unwissenheit überwinden? Gehen unsere Bemühungen verloren, wenn wir es nicht in diesem Leben gelingt? Haben Mystiker Verwirklichung erlangt?

Was ist der Unterschied zwischen einer mystischen Erfahrung und Gott-Verwirklichung?

Sri Chinmoy:
Gott-Verwirklichung ist etwas unendlich viel Höheres als eine mystische Erfahrung. In einer mystischen Erfahrung erlebst du Gottes Gegenwart als etwas sehr Inniges und Zartes, aber sie ist nicht von Dauer. Sobald du eine mystische Erfahrung hast, kannst du sie auch wieder verlieren. Aber Gott-Verwirklichung kannst du nicht verlieren; sie ist von Dauer. Hast du einmal Gott verwirklicht, verlierst du niemals mehr, was du hast.
Dichter haben bisweilen mystische Erfahrungen. Ein Dichter kann sehr hohes Licht empfangen, verbunden mit einem tiefen mystischen Erlebnis. Doch nachdem er seine Gedichte vollendet hat, wird das Bewusstsein des Dichters oft wieder ungöttlich, und dann kann er seine mystische Erfahrung nicht aufrecht erhalten. Eine mystische Erfahrung ist keine anhaltende Erfahrung. Doch nach der Gott-Verwirklichung wird eine mystische Erfahrung bleibende Kraft haben und kann dauerhaft werden. Es besteht also ein großer Unterschied zwischen Gott-Verwirklichung und einer mystischen Erfahrung. Gott-Verwirklichung ist etwas Unendliches, Ewiges und Wahres. Eine mystische Erfahrung ist göttlich, aber wenn eine mystische Erfahrung nicht nach der Gott-Verwirklichung kommt, hält sie nicht an. Ein Mystiker ist einem Yogi weit unterlegen. Es gibt keinen Vergleich. Ein Yogi dient ständig und bedingungslos dem Supreme und hat fortwährend Gotteserfahrungen. Ein Mystiker ist mit der Erfahrung an sich zufrieden. Er möchte in das Weisheits-Licht eindringen, aber er kümmert sich nicht um die Welt. Der Yogi kümmert sich um die Welt. Der Mystiker will nur die Erfahrung, und er will, dass sie ihn schließlich mit Gott verschmelzen lässt.

Was ist der Unterschied zwischen Enthüllung und Manifestation?

Sri Chinmoy:
Lass mich dir ein Beispiel nennen. Nehmen wir einmal an, du hast in deiner Tasche eine köstliche Mango. Du steckst deine Hand in die Tasche, holst die Mango heraus und zeigst sie mir. Das ist Enthüllung. Zuvor war die Mango versteckt und nun hast du sie enthüllt. Danach musst du sie manifestieren. Wie machst du das? Du wirst sie in Stücke schneiden und sie mit mir und anderen teilen.
Wenn du Gott oder die Wahrheit oder das Licht der Welt enthüllst, dann bedeutet das, dass du diese Dinge zum Vorschein gebracht hast und die ganze Welt sie sehen kann. Aber wenn niemand sieht, was du enthüllt hast, oder wenn es niemand annimmt oder versteht, dann ist das Enthüllung ohne Manifestation. Manifestation bedeutet nicht nur zu zeigen, was du hast und was du bist, sondern dieses die Welt auch sehen, fühlen, verstehen und annehmen zu lassen. Das ist der Unterschied. Die Verwirklichung von heute ist die Enthüllung von morgen. Enthüllung ist heute manifestierte Verwirklichung und morgen erfüllte Manifestation.
Frage: Waren die spanischen Mystiker gottverwirklicht?
Sri Chinmoy: Der Ausdruck „Mystiker“ ist sehr vage und kompliziert. Nicht alle der spanischen Mystiker waren verwirklicht, aber einige von ihnen waren es definitiv! Viele von ihnen betraten die mystische Welt für eine gewisse Zeit und schrieben Gedichte und so weiter. Aber warum nur nach den spanischen Mystikern fragen? Es hat viele Mystiker gegeben, aber nur sehr wenige waren verwirklicht. Wenn sie allerdings zu echten Gottliebenden, echten Suchern wurden, dann waren sie nicht länger nur Mystiker. Von diesem Gesichtspunkt aus kann ich sagen, dass ein Yogi einem Mystiker unendlich überlegen ist.

Einmal hast du gesagt, dass die spirituelle Manifestation automatisch kommt, wenn ein Sucher die höchste Verwirklichung erlangt. Würdest du mir bitte erklären, was du mit dieser Art von Manifestation meinst?

Sri Chinmoy:
Wenn jemand Verwirklichung erlangt und er in der Welt bleibt, beginnt automatisch die Manifestation. Was geschieht, wenn du vor einer befreiten, voll verwirklichten Seele stehst? Sofort wirst du den riesigen Unterschied zwischen dir selbst und diesem Menschen sehen. Das erste, was du an ihm bemerken wirst, ist Frieden; in seinen Augen wirst du unendlichen Frieden sehen. Sein Körper wird dir ein Gefühl von Reinheit vermitteln, einer Reinheit, die du nie zuvor in deinem eigenen Leben oder im Leben anderer wahrgenommen hast. Wie kommt es, dass er Reinheit, Licht und göttliche Kraft ausstrahlt, während ein anderer das nicht tut? Aus dem einfachen Grund, weil er vollständig verwirklicht ist. Er wird vielleicht gar nichts zu dir sagen, aber von seiner bloßen Gegenwart wirst du unendlichen Frieden, unendliche Glückseligkeit, unendliches Licht erhalten. Verwirklichung zeigt automatisch ihr eigenes Potenzial, und das ist Manifestation. Die innere Verwirklichung des Meisters manifestiert sich durch die äußere Form, welche der Körper ist.
Es gibt noch eine andere Art von Manifestation, die wir eher auf der physischen Ebene finden: das ist die Manifestation der Göttlichkeit auf Erden. Diese Manifestation findet statt, wenn ein spiritueller Meister bewusst versucht, spirituell hungrige Menschen zu erwecken. Es gibt viele Menschen auf der Erde, die spirituell hungrig sind, die aber keinen Meister oder spirituellen Pfad haben. Daher versucht der Meister, sie zu inspirieren, in ihnen die Flamme bewussten inneren Strebens zu entfachen und sie zu einem spirituellen Pfad zu führen.
Wenn ein Meister mit Hilfe seiner liebsten Schüler versucht, die Göttlichkeit auf der Erde zu manifestieren, dann verstehen die Leute das mitunter falsch. Sie glauben, dass er jeden bekehren will. Doch das Motiv eines Meisters ist nicht das eines Missionars. Christliche Missionare gingen nach Indien und in die ganze Welt und verkündeten: „Es gibt nur einen Erlöser, Jesus Christus.“ Aber wenn Christus der einzige Erlöser ist, was ist dann mit Buddha? Was ist dann mit Krishna? Was ist mit Sri Ramakrishna und all den anderen großen Meistern? Natürlich ist jeder echte spirituelle Meister ein Erlöser; aber zu behaupten, dass er der einzige Erlöser sei oder sein Pfad der einzige Weg, ist Torheit. Wenn ich sage, dass mein Weg der einzige Weg ist und du zur Hölle fahren musst, wenn du mich nicht annimmst, dann gibt es keine dümmere Person auf der Erde als mich. Auf unserem Weg versuchen wir nicht, andere zu bekehren; wir versuchen nur zu inspirieren.
Ein verwirklichter Meister versucht niemals zu bekehren; er bietet lediglich den strebenden Seelen seine Verwirklichung in Form von Inspiration an. Das ist der Grund, warum der Meister wie ein normaler Mensch handeln muss. Wenn er sich nicht wie ein normaler Mensch verhält, wenn er nicht auf menschliche Weise isst, spricht und schläft, dann werden die Leute sagen: „Oh, du bist weit über unsere Welt hinaus gegangen. Es ist uns einfach nicht möglich, dir zu folgen.“ Aber der spirituelle Meister sagt: „Nein, ich mache alles so wie ihr. Wenn ich dieselbe Nahrung essen kann, wenn ich mit euch zusammen sein kann, so wie ihr mit anderen zusammen seid, und dennoch nicht mein höchstes Bewusstsein verliere, wie kommt es, dass ihr nicht auch in das Höchste eintreten könnt?“ Auf diese Weise inspiriert der Meister seine Schüler.
Aber Inspiration ist nicht genug. Auf Inspiration folgt inneres Streben. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Inspiration und innerem Streben. Inneres Streben ist etwas sehr, sehr Hohes. Der spirituelle Meister wird mit seinen Schülern eins, deren inneres Streben er bereits entfacht hat, und gemeinsam versuchen sie, die spirituell hungrige Welt zu inspirieren. Auf diese Weise wird Verwirklichung in Manifestation verwandelt.
Im Innern der Verwirklichung wirst du die Manifestation sehen. Manifestation ist die äußere Form der Verwirklichung, und jemand, der wirklich spirituell ist, wird sofort die Manifestation in der Verwirklichung selbst fühlen. Wenn ich etwas verwirklicht und in der äußeren Welt manifestiert habe, dann fühlt es das Herz der Menschheit, aber der physische Verstand braucht vielleicht eine Weile, bis er die Manifestation erkennt und versteht. Im Bereich der Manifestation hat der Meister mit unwissenden, unstrebsamen oder emotional gebundenen Menschen zu tun, die das volle Licht des Meisters nicht sehen werden. Aber ein großer Strebender sieht die Verwirklichung und kann die Verwirklichung nicht von der Manifestation trennen.

Verhält sich ein Mensch, nachdem er Gott verwirklicht hat, immer noch wie ein normales Wesen?

Sri Chinmoy:
Wenn wir den Ausdruck „Verwirklichung“ verwenden, sind die Leute oft verwirrt. Sie glauben, dass ein verwirklichter Mensch sich völlig von einem normalen Menschen unterscheidet, dass er sich auf sehr ungewöhnliche Weise verhält. Aber ich möchte betonen, dass sich ein verwirklichter Mensch nicht ungewöhnlich zu verhalten braucht und es auch nicht tun sollte. Was hat er verwirklicht? Die höchste Wahrheit in Gott. Und wer ist Gott? Gott ist jemand oder etwas völlig Normales.
Wenn jemand das Höchste verwirklicht, bedeutet dies, dass er inneren Frieden, Licht und Glückseligkeit in unendlichem Maße besitzt. Es bedeutet nicht, dass seine äußere Erscheinung oder seine äußeren Merkmale sich verändern, denn der Frieden, das Licht und die Glückseligkeit sind in seinem inneren Bewusstsein. Selbst nachdem ein spiritueller Meister das Höchste verwirklicht hat, isst, schläft, redet und atmet er immer noch so wie andere auch.
Im Innern des Menschlichen existiert das Göttliche. Wir brauchen nicht in einer Höhle im Himalaya zu leben, um unsere Göttlichkeit zu beweisen; diese Göttlichkeit können wir in unserem normalen Alltagsleben zum Vorschein bringen. Spiritualität ist etwas absolut Normales, doch leider haben wir mittlerweile das Gefühl, dass sie unnormal sei, weil wir so wenige spirituelle Menschen in dieser Welt der Unwissenheit sehen. Aber dieses Gefühl ist ein bedauerlicher Fehler. Wahre Spiritualität ist die Annahme des Lebens. Zuerst müssen wir das Leben annehmen so wie es ist, und dann müssen wir versuchen, das Gesicht der Welt durch unser inneres Streben und unsere Verwirklichung zu vergöttlichen und zu verwandeln.
Unspirituelle Leute denken häufig, dass eine verwirklichte Person, wenn sie wahrhaft verwirklicht ist, in jedem Augenblick Wunder vollbringen muss. Aber Wunder und Gott-Verwirklichung gehen nicht unbedingt Hand in Hand. Wenn du einen spirituellen Meister anschaust, wirst du Frieden, Licht, Glückseligkeit und göttliche Kraft bemerken. Tritt in ihn ein und du wirst all diese Dinge fühlen. Wenn du jedoch etwas anderes von einer verwirklichten Seele erwartest, wenn du zu einem spirituellen Meister kommst und glaubst, dass er deine maßlosen Wünsche erfüllen und dich zu einem Multimillionär machen wird, dann irrst du dich gewaltig. Wenn es der Wille des Supreme ist, kann der Meister leicht jemanden über Nacht zu einem Multimillionär machen. Er kann materiellen Wohlstand in Hülle und Fülle herab bringen, aber normalerweise ist dies nicht der Wille des Supreme. Der Wille des Supreme ist für das innere Gedeihen, nicht für äußeren Reichtum.

Selbst dann nicht, wenn es Worte des Lobpreises und des Einsseins mit Gott sind?

Sri Chinmoy:
Doch, es kann Worte des Lobpreises und der Einheit geben. Menschliche Sucher drücken ihre spirituellen Erfahrungen tatsächlich oft in Worten von tiefer Schönheit aus. Viele spirituelle Persönlichkeiten haben uns beschrieben, was Vereinigung mit Gott bedeutet, und vom Verstand her glauben wir es zu kennen. Aber Gott-Verwirklichung kann nicht in menschlicher Sprache ausgedrückt werden. Jemand, der Gott verwirklicht hat, ist einem gewöhnlichen Menschen weit überlegen, und es gibt keine menschlichen Worte, seinem Bewusstsein Ausdruck zu verleihen.

Wenn ein Mensch den Zustand erreicht, wo er Vereinigung mit Gott erlangt, wird dann seine Emotion oder sein Gefühl inneren Strebens so intensiv, dass er es automatisch in Worten zum Ausdruck bringt?

Sri Chinmoy:
Zu diesem Zeitpunkt gibt es keine Worte. Du kannst die Vereinigung mit Gott nicht mit Worten ausdrücken, du kannst sie nur fühlen.

Woher weißt du, dass es so etwas wie Verwirklichung gibt, und woran erkennt man, dass man verwirklicht ist?

Sri Chinmoy:
Viele Menschen haben Gott verwirklicht. Das ist nicht meine Theorie, das ist nicht meine Entdeckung. Indische Heilige, indische spirituelle Meister der fernen Vergangenheit haben die Wahrheit gefunden, und ich stimme mit ihnen aufgrund meiner eigenen Verwirklichung überein.
Wenn du eine Mango isst, dann weißt du, dass du sie gegessen hast. Du hast eine Mango gegessen, und dieses Wissen trägst du in dir. Wenn andere sagen: „Nein, du hast keine Mango gegessen“, dann stört dich das nicht weiter, denn du weißt, was du getan hast. Solange dein Hunger gestillt ist, brauchst du nicht die Bestätigung oder Anerkennung anderer. Der köstliche Geschmack, das Erlebnis, das du hattest, ist dir Beweis genug. Genauso ist es im spirituellen Leben. Wenn man den Nektar der Verwirklichung getrunken hat, dann weiß man, dass man Gott tatsächlich verwirklicht hat. Man fühlt in seinem inneren Bewusstsein unendlichen Frieden, unendliches Licht, unendliche Glückseligkeit, unendliche Kraft. Ein verwirklichter Mensch kann in seinem eigenen inneren Bewusstsein sehen, fühlen und erkennen, was Göttlichkeit ist. Wenn man Verwirklichung besitzt, hat man freien Zugang zu Gott und ein Gefühl vollständiger Erfüllung. Wenn die Verwirklichung im Leben eines Suchenden erwacht, dann wird er es unweigerlich wissen.

Glaubst du, dass ein Mensch Gott verwirklichen und mit Ihm auf dieser materiellen Ebene eins werden kann, die so unwissend und dunkel ist?

Sri Chinmoy:
Einerseits ist der Planet Erde dunkel, unwissend, unbewusst; er macht sich nichts aus irgendetwas Göttlichem. Andererseits hat er einen gewaltigen inneren Drang, sich auszudehnen und über sich hinaus zu wachsen. Gott strebt durch das Erdbewusstsein. Die Erde ist der einzige Ort für Leute, die reich sein wollen, sei es auf der physischen oder auf der spirituellen Ebene. Sowohl das Leben der Wünsche als auch das Leben des inneren Strebens ist auf der Erde möglich. Andere Welten bieten nur statisches Vergnügen. In anderen Welten sind die Wesen mit dem zufrieden, was sie bereits erreicht haben, während hier niemand wirklich zufrieden ist mit dem, was er bisher erreicht hat. Unzufriedenheit bedeutet jedoch nicht, dass wir uns über andere oder über die Welt ärgern. Nein! Unzufriedenheit bedeutet, dass wir ein ständiges Bestreben danach haben, weiter und weiter zu gehen. Wenn wir ein wenig Licht besitzen, möchten wir mehr Licht, eine Fülle von Licht, unendliches Licht erhalten.
Unserer indischen Tradition gemäß gibt es Tausende von kosmischen Göttern und so viele Schutzgottheiten wie es Menschen gibt. Diese Schutzgottheiten und Götter weilen in den höheren Welten – der vitalen Welt, der intuitiven Welt oder auf noch anderen höheren Ebenen. Im Augenblick haben sie mehr Macht und größere Fähigkeiten als wir und sind zufrieden mit dem, was sie haben. Sie wollen nicht einen Millimeter darüber hinausgehen. Dennoch sind ihre Fähigkeiten begrenzt im Vergleich zum Licht, zur Glückseligkeit und zur Macht des Supreme. Wenn wir einmal befreit und verwirklicht sind, wenn wir bewusst eins sind mit dem Bewusstsein des Supreme, dann werden wir unendlich viel größere Fähigkeiten besitzen als diese Gottheiten und Götter.
Als die Schöpfung begann, folgten die Seelen, die Fortschritt machen wollten, einem anderen Pfad. Sie wollten die höchste Wahrheit, die unendliche Wahrheit. Selbst die kosmischen Götter müssen zur Erde herab kommen, menschliche Form annehmen und dann kraft ihrer absoluten Liebe, Ergebenheit und Selbsthingabe Gott verwirklichen, wenn sie unendlichen Frieden, Licht und Glückseligkeit erhalten wollen. Nur hier im physischen Körper können wir beten und meditieren und das Höchste verwirklichen. Nur dieser Planet befindet sich in Entwicklung. Entwicklung bedeutet beständigen Fortschritt, beständige Errungenschaft. Wenn jemand Fortschritt machen möchte, wenn jemand über sich hinauswachsen will, dann muss er hierher kommen. Hier allein ist der Ort, wo Gott verwirklicht, enthüllt und manifestiert werden muss.

Wenn ein Sucher in diesem Leben Gott nicht verwirklicht, heißt das, dass all seine Mühe vergeblich war?

Sri Chinmoy:
Wenn es dem Sucher nicht gelingt, spirituelle Vollkommenheit in diesem Leben zu erlangen, so heißt das nicht, dass er alles verlieren wird. Wenn er in diesem Leben seine Reise nicht vollenden kann, dann wird er in seiner nächsten Inkarnation die Reise dort fortsetzen, wo er sie unterbrochen hat. Nichts geht verloren. Leider wird er aber in den zwölf, dreizehn Jahren seiner Kindheit von der Unwissenheit eingefangen. Die Unwissenheit wird vor ihm stehen und ihn wie ein Wolf verschlingen. Er wird aus der inneren Welt Kraft schöpfen und dann wie ein Krieger auf dem Schlachtfeld des Lebens kämpfen müssen, um die Unwissenheit erneut zu besiegen. Aber jemand, der in seiner früheren Inkarnation Gott verwirklicht und vollkommene Vollkommenheit erlangt hat, braucht nicht all diese Jahre zu warten. Deshalb ist es besser, alles in diesem Leben zu bewältigen, damit wir in unserer nächsten Inkarnation gleich von Anfang an weiterreisen können.

Ist es möglich, in einer Inkarnation die Weisheit und umfassende Erkenntnis Gottes zu erlangen?

Sri Chinmoy:
Es ist absolut möglich, umfassende Erkenntnis Gottes zu erlangen, vorausgesetzt der Sucher besitzt aufrichtigstes inneres Streben. Außerdem muss der Sucher in der Lage sein, die Erkenntnis und die Weisheit Gottes aufzunehmen. Drittens muss der Sucher einen sehr hohen spirituellen Meister haben, einen Gottverwirklichten Yogi höchster Ordnung. Viertens muss es der Wille Gottes sein, dass der Sucher diese umfassende innere Weisheit und innere Erkenntnis empfängt. Wenn alle vier Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind, dann ist es absolut möglich.
Doch wenn jemand gerade erst das spirituelle Leben beginnt und Gott ohne die Hilfe eines Meisters verwirklichen will, dann ist es unmöglich. Für einen gewöhnlichen Menschen sind dafür Hunderte und Tausende von Inkarnationen erforderlich. Selbst wenn jemand einen guten Meister hat – wenn der Schüler nicht hundertprozentig aufrichtig ist, kann es sechs, sieben, zehn oder zwanzig Inkarnationen dauern. Die allerbesten Schüler jedoch erhalten die Verwirklichung entweder in einer Inkarnation oder in wenigen Inkarnationen, unter der beständigen Führung des Meisters.
Gelegentlich verwirklicht jemand Gott, ohne einen spirituellen Meister zu haben. Wie ist das möglich? In seiner letzten Inkarnation hatte er vielleicht einen sehr, sehr machtvollen Meister. In dieser Inkarnation hat der Meister keine menschliche Inkarnation angenommen, aber von der inneren Welt aus führt, formt und lehrt ihn der Meister fortwährend. Der Sucher weiß, dass sein Guru ihn in seinen Träumen und in seiner Meditation lehrt.
Dann gibt es natürlich noch eine andere Möglichkeit. Wenn der Sucher einige Inkarnationen hindurch meditiert hat und Gott mit ihm äußerst zufrieden ist, und wenn der Sucher in dieser Inkarnation nicht mit einem spirituellen Meister gesegnet worden ist, dann übernimmt Gott selbst die Rolle eines spirituellen Meisters, sogar in den wachen Stunden und in den alltäglichen Handlungen des Suchers. Wenn der Sucher ein Glas Wasser trinken soll, wird Gott ihm sagen: „Geh und trinke ein Glas Wasser.“ Und wenn er das Fenster schließen soll, wird es Gott ihm sagen. Gott wird die Form eines sehr, sehr leuchtenden Wesens annehmen und ihn auf diese Weise führen.

Inhalt abgleichen (C01 _th3me_)