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Guru, Meister, Lehrer

„Guru“ bedeutet Lehrer, oder „der, der Licht bringt“. Wie wichtig ist es, einen lebenden spirituellen Meister oder Lehrer zu finden? Sri Chinmoy erklärt, wie ein echter Meister die innere Entwicklung eines Suchers beschleunigen kann, wie man seinen Lehrer findet und woran man einen verwirklichten Meister erkennt. Warum Meister leiden, wie sie der Menschheit dienen und wie ein Meister weiter wirkt, nachdem er die Erde verlassen hat.

Wenn der Meister den Körper verlässt, sollte man versuchen, den Kontakt zu ihm aufrecht zu erhalten?

Sri Chinmoy:
Es hängt von der Beziehung ab, die der Lehrer und der Schüler aufgebaut haben. Nehmen wir an, der Lehrer ist gestorben und du hattest keine enge Beziehung zu ihm. Du kannst sagen, dass dein Lehrer sehr groß war, aber was für eine Beziehung hattest du zu ihm? Wenn der Lehrer zehntausend Schüler hat und du nicht unter den engen Schülern bist, dann kannst du nichts von ihm erwarten, nur weil er sehr groß ist. Hattest du jemals persönlichen Kontakt zu ihm oder ein ernsthaftes Gespräch mit ihm? Hattest du irgendeinen inneren Kontakt zu ihm, als er auf der Erde war? Dies sind die Dinge, die du in Betracht ziehen musst. Ansonsten wird allein die Tatsache, dass er groß war, keine Versicherung dafür sein, dass du eine innere Verbindung zu ihm aufrecht erhalten kannst, sofern er dir nicht ein feierliches Versprechen gegeben hat, für dein inneres Leben verantwortlich zu sein.
Sagen wir einmal, dein Vater war ein großer Arzt, aber nun weilt er nicht mehr auf der Erde. Wenn du an einer Krankheit leidest, wirst du dann an deinen Vater im Himmel denken, um geheilt zu werden? Nein. Jemand mag deinem Vater in Bezug auf medizinische Kenntnisse weit unterlegen sein, aber du wirst zu ihm gehen, um sofortige Heilung zu erfahren. Er wird dich heilen, weil er immer noch auf der Erde ist.
Wenn du einen Meister wie Sri Krishna, Buddha oder Christus hast, einen Meister, der mit dem Gottesbewusstsein völlig identifiziert ist, dann bringst du, wenn du auf ihn meditierst, dein ganzes Dasein dem Höchsten, dem Allmächtigen Vater dar. Ansonsten gibt es zwar viele spirituelle Meister auf der Erde, die Gott verwirklicht haben, aber wenn du keine starke innere Beziehung zu ihnen aufgebaut hast, solange sie auf der Erde sind, wird es schwierig – wenn nicht unmöglich – sein, eine Verbindung zu erhalten, wenn sie einmal den Körper verlassen.

Wie können wir feststellen, ob wir unseren Meister gefunden haben?

Sri Chinmoy:
Ich habe diese eine Frage schon Millionen von Malen beantwortet. Nun, ich bin ein spiritueller Meister und heute haben wir uns alle hier eingefunden, um zu beten und zu meditieren und eine spirituelle Atmosphäre zu schaffen. Als ich meine Schüler aufforderte zu meditieren, sah ich, dass jeder im Publikum auf seine oder ihre Weise meditierte, was absolut richtig ist. Nun muss jeder Einzelne wie ein Lehrer sein und Noten vergeben für das, was er in mir sieht – Frieden, Licht, Glückseligkeit oder andere spirituelle Eigenschaften, und auch für die spirituelle Atmosphäre, die er hier vorfindet. Er sollte zehn von Hundert Punkten oder zwanzig von Hundert Punkten geben und so weiter. Wenn er null von Hundert Punkten gibt, dann mag das für ihn absolut stimmen. Er wird wissen, dass er seinem wahren Meister gegenüber steht, wenn er mindestens achtzig von hundert Punkten geben kann.
Ein Sucher muss sich vorbereiten, damit er für seinen Meister bereit ist. Andernfalls, wenn er nicht bereit ist, kann er seinen Meister von Angesicht zu Angesicht sehen, aber er wird ihn nicht erkennen. Der Meister weiß, dass der Sucher für seinen Pfad bestimmt ist, aber er kann ihm nicht sagen: „Du bist mein Schüler.“ Der Schüler würde denken: „Oh, ich bin so reich und so einflussreich, deshalb will er, dass ich sein Schüler werde.“ Auf diese Weise wird der Meister verdächtigt. Und wenn der Meister sagt: „Du bist nicht mein Schüler“, wird der Sucher fühlen: „Oh, das ist nur, weil ich ihm nichts anzubieten habe. Ich bin hoffnungslos und hilflos.“ Was immer der Meister sagt, wird in Frage gestellt werden. Deshalb muss der Schüler wählen, und dann liegt es beim Meister, ihn anzunehmen oder ihm zu sagen, dass ein anderer Meister auf ihn wartet.
Nachdem ein Sucher gewählt hat und vom Meister angenommen wurde, darf er nicht glauben, dass er automatisch ein geliebter, enger Schüler des Meisters geworden ist. Der Sucher muss sehen, wie aufrichtig er ist. Wenn er fühlt: „Ich brauche die Wahrheit, ich brauche Licht“, dann ist er bereit für das wahre spirituelle Leben. Der Sucher muss wissen, ob er bereit ist, dem Meister alles zu geben, was er hat und was er ist. Was der Sucher hat, ist inneres Streben, der innere Ruf, und was er im Augenblick ist, ist Unwissenheit. Wenn er völlig bereit ist, dem Meister alles zu geben, was er hat und was er ist, dann kann der Meister am effektivsten daran arbeiten, sein ganzes Leben umzuformen. Der Sucher überantwortet seine Existenz dem Meister und dann übernimmt der Meister die Verantwortung, ihn zu erleuchten und zu vervollkommnen.

Kann ein Meister neue Schüler führen, nachdem er die Erde verlassen hat?

Sri Chinmoy:
Sicherlich ist das möglich. Schau dir zum Beispiel Jesus Christus an. Große Meister wie Christus, Sri Krishna, Buddha, Ramakrishna und andere können ihre Anhänger führen und tun dies auch; sie haben einen freien Zugang zum Erdbewusstsein, egal wo sie sich befinden.
Es hängt aber auch vom Schüler ab. Wenn es ein erstklassiger Schüler ist, der immerzu an den Meister denkt und auf den Meister meditiert, ist es für den Meister viel leichter, diesen Schüler zu führen. Doch wenn es sich um einen viertklassigen Schüler handelt, der immerzu mit weltlichen Gedanken und Ideen beschäftigt ist, wie kann der Meister ihm dann seine Führung bewusst machen? Es hängt also vom Kaliber des Meisters und von der Empfänglichkeit des Schülers ab.

Wenn ein Schüler weit weg ist, wie kann er dann dieselbe Kraft erhalten, die er fühlt, wenn er mit seinem Guru meditiert?

Sri Chinmoy:
Der Meister kann nicht vierundzwanzig Stunden am Tag physisch mit seinen Schülern zusammen sein, das ist unmöglich. Der Meister hat viele, viele Schüler und der Meister hat auch viele, viele Dinge zu erledigen. Auf der anderen Seite kann ein Schüler Tag und Nacht mit dem Meister zusammen sein, aber so gut wie nichts vom Meister erhalten. Der Neffe von Sri Ramakrishna diente diesem viele, viele Jahre lang, aber er empfing so gut wie nichts von Ramakrishna. Dann schaut euch Vivekananda an. Am Anfang kam er einmal in zwei oder drei Monaten. Und wie viele Tage verbrachte er letztlich mit seinem Meister?
Es ist nicht die physische Nähe, die am meisten zählt. Es ist das innere Gewahrsein der eigenen Beziehung zum Meister. Wo ist der Meister? Ist er in New York oder ist er in deinem Herzen? Wenn der Schüler fühlt, dass der Meister etwas sehr Heiliges und Geheimes ist, und dass der Meister etwas Wesentliches in seinem Leben ist, dann kann er nicht ohne den Meister sein. Nur wenn er fühlt, dass die Notwendigkeit des Meisters von allergrößter Bedeutung ist, wenn er fühlt, dass er nicht ohne den Meister existieren kann, gerade so wie er nicht ohne seinen Herzschlag existieren kann, nur dann ist die Beziehung zwischen dem Meister und dem Schüler sicher und vollkommen.
Wenn du nach Hause zurück kehrst, solltest du fühlen, dass du mich in deinem Herzen trägst, und nicht, dass du mich in New York zurück gelassen hast. Glaube nicht, dass meine Existenz nur an einem Ort der Welt vorhanden ist; nein, du musst fühlen, dass meine innere Existenz überall ist. Meine äußere Existenz, mein physischer Körper, der fünf Fuß und acht Zoll misst, kann nur an einem Ort sein, aber meine innere Existenz kann viele, viele Orte besuchen. Du musst die Notwendigkeit der inneren Beziehung, der inneren Verbindung mit meinem Herzen und meiner Seele fühlen. Nur dann wirst du in der Lage sein, den größten Fortschritt zu machen.
Wenn ein Schüler jedoch seine innere Beziehung zum Meister schon fest gegründet hat, wenn er eine sichere, zutiefst vertraute, sich hingebende und hingegebene Beziehung aufgebaut hat, wird er natürlich größeren Nutzen daraus ziehen können, wenn er beim Meister ist. In seinem Falle ist er innerlich bereits eins mit dem Meister geworden; jetzt sehnt sich sein äußeres Selbst danach, mit dem Inneren eins zu werden. So wird er natürlich einen doppelten Anstoß erhalten und unendlich viel schneller Fortschritt machen, wenn er physisch in der Nähe des Meisters ist.
Aber sehr oft erzeugt Vertrautheit Verachtung. Wenn du mit dem Meister zusammen bist, mit ihm scherzt und so weiter, wirst du sofort sagen: „Er ist so wie wir.“ In der äußeren Welt isst er dieselbe Nahrung, mag Eiskrem und macht alles, was du auch machst. Aber in der inneren Welt kann er einige Dinge tun, die du nicht tun kannst. Darum muss man sich zuallererst seiner inneren Existenz nähern und diese verehren. Wenn du den Meister innerlich zufrieden gestellt hast, dann sei versichert, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis du den Meister in der äußeren Welt zufrieden stellst, nicht umgekehrt. Wenn der Meister im äußeren Leben sagt: „Ich brauche ein paar Briefmarken“, dann gehst du sofort zur Post und kaufst einige Marken. Aber diese Art der Beziehung wird dir nicht besonders helfen, wenn deine innere Beziehung nicht vollkommen ist. Wenn deine innere Beziehung vollständig ist und ich sage: „Bitte fahre mich zum Strand“, und wenn du mich dann fährst und mich glücklich machst, dann stellst du mich auf jeder Ebene zufrieden. Du hast bereits die innere Beziehung zu mir hergestellt. Du hast mich außerordentlich zufrieden gestellt, und jetzt hast du auch die äußere Beziehung aufgebaut, indem du auf mich gehört hast.
Wenn du nicht die innere Beziehung zu mir aufgebaut hättest, was wäre dann passiert? Während der zwei Stunden, in denen du mich fährst, schenkt dir unsere äußere Beziehung Frieden, Freude, Harmonie oder eine Art von Erfüllung. Aber nach zwei Stunden verschwindet das alles wieder. Wenn jemand jedoch in der inneren Welt fünf Minuten meditiert und an mich denkt und mir seinen Lebensatem schenkt, dann währt das für immer. Dann hast du mich erfüllt und ich habe dich erfüllt.

Warum gibst du uns nicht auf?

Sri Chinmoy:
Wenn ich euch aufgebe, was bin ich dann und was habe ich dann noch? Wenn ich euch alle aufgebe, die ihr aus mir besteht, was kann ich dann noch mein eigen nennen? Es gibt in meinem Leben kein Gut und Böse. Wenn ihr schlecht seid, bin ich schlecht. Wenn ihr Übeltäter seid, dann bin ich der erste und schlimmste Übeltäter. Wenn ihr gut seid, dann bin auch ich gut. Alles, was ihr seid, ist nur eine Ausdehnung oder Projektion meiner eigenen Wirklichkeit. Und wie kann ich meine eigene Wirklichkeit fallen lassen? Ich bin der Ursprung. Wie kann die Wurzel die Äste und Blätter verlassen? Ihr habt mich angenommen. Wenn es Dummheit ist, dann ist es meine Dummheit. Ich habe alle meine Schüler in der inneren Welt angenommen, lange bevor ihr mich auf der physischen Ebene angenommen habt.
Wie kann ich aufgeben? Wenn ich aufgebe, dann existiere ich selbst nicht mehr. Ich bin nur, was ihr für mich habt und was ihr mit mir seid. Meine Existenz ist aus dem gemacht, was ihr habt und was ihr seid. Es geht nicht darum, sich mit euch abzufinden; es ist eine Frage der Weisheit. Da ich existieren möchte, muss ich mit euch allen sein. Es ist wie bei einer Zwiebel. Die Schalen einer Zwiebel wachsen übereinander. Jede Schale ist ein Teil des Ganzen. Wenn du anfängst, die Zwiebel zu schälen, um die Schichten von einander zu trennen, wirst du solange schälen, bis nichts mehr übrig bleibt. Wenn die Zwiebel jedoch wächst, wächst eine Schale auf der anderen. Es ist alles Einssein, Einssein, Einssein. Lasst uns daher versuchen, eine kleine Zwiebel zu einer großen Zwiebel heranwachsen zu lassen. Nur dann werden der Schüler und der Guru erfüllt sein.

Warum kommst du auf das Niveau deiner Schüler herab, um ihnen zu helfen?

Sri Chinmoy:
Es ist nicht so, dass ich einfach nur auf das Niveau meiner Schüler herab komme. Ich gehe noch ein Stück tiefer, weil ich sie auf meine Schultern setzen will. Aber manchmal geschieht es, dass sie nicht auf meinen Schultern sitzen wollen. Hier beginnen sehr oft die Missverständnisse. Wenn wir jemandem nachlaufen, um ihm etwas zu geben, dann mag derjenige glauben, dass wir eine bestimmte Absicht verfolgen. Wenn sie auf meinen Schultern sitzen, haben sie das Gefühl, dass sie dort festsitzen und nicht mehr höher klettern können. Sie wollen ganz allein hinauf klettern, damit sie den Erfolg für sich verbuchen können. Aber sie sind Narren, wenn sie so denken. Wenn sie in der Lage wären, ganz allein empor zu klettern, warum sind sie dann zu mir gekommen?
Die Mutter geht zum Markt, kauft Lebensmittel ein und bittet dann ihre Kinder zum Essen zu kommen. Wenn die Kinder klug sind, werden sie sagen: „Was für ein Glück, dass wir eine so gute Mutter haben. Sie ist für uns einkaufen gegangen und hat uns Essen gebracht.“ Andernfalls werden sie sagen: „Nein. Wir brauchen etwas zum Essen, aber wir wollen selber essen gehen.“ So verhalten sich manche bedauernswerte Schüler. Sie wollen irgendwohin essen gehen, weil sie dort noch nie gewesen sind. Auf dem Weg dorthin sehen sie dann Süßigkeiten und geraten in Versuchung. Anstatt richtige Nahrung zu erhalten, kaufen sie irgendwelches wertloses Zeug, essen es und bekommen Bauchschmerzen.
Du kannst gute spirituelle Nahrung zu dir nehmen, wenn du fühlst, dass es jemanden gibt, der stets etwas von dir erwartet. Wenn du fühlst, dass es jemanden gibt, der stets etwas von dir erwartet, wirst du deinem Leben mehr Bedeutung beimessen. Wenn dein Chef etwas von dir erwartet, bist du von menschlichem Stolz erfüllt. Und wenn du fühlst, dass Jemand anderer, der noch über deinem Chef steht, etwas von dir erwartet, dann wirst du sofort von einem Gefühl göttlichen Stolzes genährt. Du wirst nur genährt, wenn du fühlst, dass dich dein eigener Innerer Führer braucht. Seine Erwartung bedeutet Sein Einssein mit dir. Sein Bedürfnis nach dir ist Seine Nahrung. Dein innerer Führer ist der Supreme. Dein Supreme und mein Supreme sind derselbe, aber in meinem Falle habe ich mein beständiges Einssein mit Ihm errichtet, während du das leider noch nicht getan hast. Wenn ich „Ich“ sage, fühle ich sofort, dass der Supreme in mir und durch mich wirkt, und dass ich im und durch den Supreme wirke. Wenn du tief nach innen tauchen kannst, wirst auch du dein Einssein mit dem Supreme herstellen.
Im Augenblick ist die Vorstellung, dass der Supreme in dir und durch dich wirkt, nur eine vage Idee. Wenn du an Gott denkst, stellst du dir vielleicht vor, dass er in schönen Bäumen oder auf dem Gipfel eines Berges weilt. Wenn du auf diese Weise an Gott denkst, kann Er jeden Moment verschwinden und du wirst dich fragen, wohin Er gegangen ist. Aber wenn du an mich denkst, stellt sich diese Frage nicht. Du weißt, dass ich in diesem Haus oder in einem Geschäft oder an einem anderen Ort bin. Wenn du an Gott denkst, versuchst du dir vielleicht vorzustellen, ob Er im Himmel oder in der Hölle ist. Aber wenn du an deinen Guru denkst, dann weißt du, wo ich bin. Man kann mich anfassen. Du wirst mich sehen, weil ich auf der physischen, vitalen, mentalen, psychischen und spirituellen Ebene existiere. Du kannst mich sofort visualisieren. Das ist der Grund, warum man sagt, dass man den richtigen Ort erreicht, wenn man durch den Meister geht. Es ist viel leichter und sicherer, dem Guru zu erlauben, zu Gott zu gehen und Gott zu dir zu bringen, als durch Gott zum Guru zu gehen. Wenn du direkt zu Gott gehst, wird es der Verstand bezweifeln. Wenn das Kind direkt zu seinem Vater geht und der Vater sagt: „Ich bin dein Vater“, wird das Kind das vielleicht nicht glauben. Es wird sagen: „Wie kann ich das wissen?“ Aber wenn seine Freunde sagen: „Das ist dein Vater“, wird es ihnen glauben.

Wird jeder Mensch, der Gott verwirklicht, ein spiritueller Meister?

Sri Chinmoy:
Jedes Jahr machen Hunderte von Studenten ihren Universitätsabschluss. Einige von ihnen gehen in ein Büro oder ins Geschäftsleben, andere fangen an zu lehren. Genauso beginnen einige der Menschen, die Gott verwirklicht haben, andere zu lehren, wie man Gott verwirklicht, und einige nicht. Diejenigen, die nicht in der Welt lehren, sind dennoch gottverwirklicht, das können wir nicht bestreiten. Doch sie haben viele Inkarnationen gebraucht, um die Hürden der Unwissenheit zu überwinden, und nun sind sie wirklich müde. Gott zu verwirklichen ist nicht einfach, und sie fühlen, dass sie wie echte göttliche Helden auf dem Schlachtfeld des Lebens gehandelt haben. Sie haben gegen Angst, Zweifel, Furcht, Sorgen, Unvollkommenheiten, Begrenzungen und Bindung gekämpft und diese Kräfte überwunden. Jetzt haben sie das Gefühl, dass es ihr gutes Recht ist, sich aus diesem Schlachtfeld zurückzuziehen und auszuruhen. Diese Seelen sprechen mit Gott, und wenn Gott einverstanden ist, dass sie nicht mehr bewusst am Kosmischen Spiel teilnehmen müssen und nur noch zuschauen können, ziehen sie sich zurück. Wenn sie Gottes Erlaubnis haben, können sie selbstverständlich passiv bleiben.
Aber auch die Seelen, die nicht an Gottes Manifestation teilnehmen, tun etwas Großartiges. Sie mögen keine aktive Rolle in der Welt spielen, sie mögen nicht von einem Ort zum anderen ziehen, um zu lehren oder spirituelle Zentren zu gründen und Schüler anzunehmen. Doch in ihrer Meditation versuchen sie innerlich Erleuchtung anzubieten, indem sie der Menschheit ihr bewusstes Wohlwollen schenken. Wie viele Menschen bieten der Menschheit schon ihren guten Willen an? Gewöhnliche Menschen streiten, kämpfen und tun bewusst oder unbewusst viele ungöttliche Dinge gegen den Willen Gottes. Doch diese verwirklichten Seelen stehen in keinerlei Konflikt mit Gottes Willen; ihr Wille ist mit Gottes Willen eins geworden.
Wir können nicht sagen, dass jemand, der äußerlich für die Menschheit arbeitet, größer ist als derjenige, der innerlich hilft. Von größter Bedeutung ist es, Gottes Willen zu folgen. Wenn Gott einer erleuchteten Seele sagt: „Du brauchst für mich nicht von Ort zu Ort zu ziehen. Anerbiete dein Licht einfach innerlich“, dann ist diese Person groß, wenn sie ihr Licht innerlich anerbietet. Und wenn Gott einer anderen Seele sagt: „Ich möchte, dass du in die Welt hinausgehst und der Menschheit das Licht anerbietest, das du hast“, dann ist dieser Meister groß, indem er der Menschheit hilft. Alles hängt davon ab, was Gott von einer bestimmten Seele will.

Wird jemand seine Verwirklichung nicht verlieren, wenn er vom Verwirklichungs-Baum herab kommt und der Dunkelheit und Unwissenheit der Menschheit gegenübertritt?

Sri Chinmoy:
Wenn du befürchtest, dass eine verwirklichte Seele ihre Göttlichkeit und Verwirklichung verlieren wird, wenn sie sich unter gewöhnliche Menschen mischt, dann irrst du dich. Wenn du Gott verwirklichst, gibt dir Gott mehr Kraft als Er Seinen unverwirklichten Kindern gegeben hat. Spirituelle Meister haben einen freien Zugang zu Gottes Allmacht und zu all Seinen anderen Eigenschaften. Wenn spirituelle Meister nicht mehr Kraft hätten als ihre Schüler, die immer noch an Angst, Zweifel, Sorgen und anderen ungöttlichen Eigenschaften leiden, dann würden sie sich nie mit diesen abgeben oder sie gar annehmen. Sie würden wissen, dass sie von den Unvollkommenheiten ihrer Schüler verschlungen, völlig verschlungen werden würden. Aber sie haben keine Angst, weil sie wissen, dass ihre Verwirklichung mehr Kraft hat als jede negative Kraft in ihren Schülern. Vor der Verwirklichung, selbst bis zur allerletzten Stunde, ist es noch möglich, vom Verwirklichungs-Baum zu fallen. Aber wenn du einmal Gott verwirklicht hast, dann hast du das Rennen gewonnen. Dieser Sieg ist dauerhaft und ewig. Nichts und niemand kann ihn dir wegnehmen, noch kannst du ihn verlieren.

Wenn jemand Gott verwirklicht hat, warum sollte er dann die höhere Glückseligkeit verlassen, um in die Dunkelheit der Erde herab zu kommen und anderen zu helfen?

Sri Chinmoy:
Es gibt spirituelle Meister, die sich nicht um die Manifestation von Gottes Göttlichkeit auf Erden kümmern. Ihnen liegt nichts an der Transformation des Erdbewusstseins. Sie sagen zur Welt: „Wenn ich versuche, dir zu helfen, werden all deine Zweifel, Ängste, Befürchtungen, Sorgen, Begrenzungen und Bindungen in mich eindringen. Ich habe für meine eigene Verwirklichung hart gearbeitet, daher ist es das Beste, wenn auch du für deine Verwirklichung hart arbeitest. Wenn du hart arbeitest, wird dir Gott niemals die Früchte verweigern.“
Andere spirituelle Meister wiederum kümmern sich sehr wohl um die Erleuchtung des Erdbewusstseins. Sie sehen, dass sie selbst in der inneren Welt die köstlichste Nahrung essen oder Nektar trinken, während es ihren Brüdern und Schwestern versagt bleibt. Solche Meister identifizieren sich mit der Menschheit und fühlen, dass es ihre Aufgabe ist, das Bewusstsein ihrer Mitmenschen, ihrer schlummernden Brüder und Schwestern zu erwecken. Wenn es Menschen auf der Erde gibt, die von Unwissenheit zugedeckt sind und ihre Zeit in Trägheit vergeuden, wo sie doch wirkliche Nahrung bräuchten, dann tut es dem Meister leid. Es tut ihm leid, dass diese Menschen immer noch in der Unwissenheit bleiben wollen, wenn sie doch leicht über die Grenzen der Unwissenheit hinausgehen könnten.
Da ein spiritueller Meister selbst alle Arten von Leiden erfahren hat, betrachtet er seine Mitmenschen nicht als Objekte des Mitleids. Er identifiziert sich vollständig mit ihnen. Er hat Gott verwirklicht, aber er fühlt, dass er selbst unvollkommen und unvollständig ist, solange nicht jeder Mensch verwirklicht ist. Was seine persönlichen Bedürfnisse anbetrifft, so braucht ein Meister nichts mehr von Gott, aber aus seinem Mitleid heraus wird er zu einem integralen Bestandteil der Menschheit.
Er sagt: „Ich werde die Rolle eines Vaters spielen.“ In einer Familie sehen wir, dass der Vater sehr, sehr hart arbeitet und einen gewissen Reichtum ansammelt. Dann brauchen die Kinder nicht mehr so hart zu arbeiten. Er gibt seinen Kindern alle mögliche materielle Unterstützung und sie genießen die Früchte seiner Arbeit. Wenn ein spiritueller Meister in die Welt kommt, dann hat er sehr, sehr hart gearbeitet, um die Wahrheit zu verwirklichen, und er besitzt grenzenlosen Frieden, grenzenloses Licht und grenzenlose Glückseligkeit in seinem inneren Leben. Er bietet diesen Reichtum seinen spirituellen Kindern an, weil sie ihn als ihr eigen betrachten und er sie als sein eigen. Diejenigen, die vollkommenes Einssein mit dem Meister aufgebaut haben und die versuchen, den Meister entsprechend ihren Fähigkeiten zu erfüllen, diejenigen, die ihrem Meister außerordentlich nahe stehen, empfangen, was der Meister hat und ist. Ihre Verwirklichung hängt ganz und gar vom Meister ab. Es ist wie im Fall des Vaters, der Millionen von Dollar besitzt. Der Sohn hat den Vater zufrieden gestellt, und daher schenkt der Vater dem Sohn seinen Reichtum.
Andererseits wird der Vater immer darauf achten, ob der Sohn auch in der Lage ist, das Geld zu empfangen und auf rechte Weise zu gebrauchen. Wenn der Vater sieht, dass der Sohn das Geld richtig verwendet, dann gibt er ihm natürlich Geld. Aber wenn der Vater sieht, dass der Sohn zehn Dollar vergeudet, anstatt sie für einen göttlichen Zweck zu verwenden, dann wird er sein Geld natürlich nicht an diesen unwürdigen Sohn verschwenden. In der spirituellen Welt ist es genauso. Wenn jemand wirklich aufrichtig ist, wenn jemand fühlt, dass er ohne alles existieren kann, nicht aber ohne Gott, dann ist es möglich für ihn, mit der Hilfe eines spirituellen Meisters in einer Inkarnation Gott zu verwirklichen. Denn er wird das, was der Meister ihm gibt, richtig verwenden.

Ist eine befreite Seele dasselbe wie ein spiritueller Meister, der versucht, der Menschheit zu helfen?

Sri Chinmoy:
Die Welt hat Tausende und Abertausende von befreiten Seelen gesehen, aber nicht alle befreiten Seelen arbeiten in der Welt der Unwissenheit. Viele befürchten, dass die Unwissenheit sie bedrohen wird und versuchen wird, sie zu verschlingen. Jemand, der gerade erst Befreiung erlangt hat, hat den Raum verlassen, der voller Dunkelheit ist. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass er wirklich qualifiziert ist, ein spiritueller Führer zu sein. Um ein spiritueller Führer im höchsten Sinne des Wortes zu sein, muss man vom Supreme dazu beauftragt worden sein. Jemand mag spirituelles Wissen, spirituelle Kraft und so weiter besitzen, aber wenn er nicht vom Höchsten ermächtigt wurde, die Menschheit zu führen; kann er kein wahrer spiritueller Meister sein.

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