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Avatar

Hier erläutert Sri Chinmoy den indischen Begriff des Avatars – einer vollkommen verwirklichten Seele – und ihrer Bedeutung für die Erde. Was ist der Unterschied zu einem Yogi oder einem großen Meister? Waren Napoleon oder Sri Ramakrishna Avatare?

Aber hätte er diese andere Seele nicht in denselben Kreis bringen können, indem er sich selbst befand?

Sri Chinmoy: Als er selbst kam, musste er zuerst noch Gott verwirklichen. Er musste noch einige Seiten auswendig lernen. Ich habe Gott in einer vergangenen Inkarnation verwirklicht. Doch ich musste in diesem Leben viele Jahre hart arbeiten, um das Buch der Verwirklichung wieder aufzufrischen, vor allem während der ersten drei oder vier Jahre. Ich brauchte zwanzig Jahre, um den Inhalt dieses Buches vollständig aufzufrischen. Es dauert immer lange Zeit. In seiner vorherigen Inkarnation war Ramakrishna eine befreite Seele, doch es dauerte sehr lange, bis er in dieser Inkarnation Mutter Kali verwirklichte. Er verwirklichte Kali nicht plötzlich. Sobald er Gott jedoch verwirklicht hatte, war es für ihn sehr leicht, Gott in zwei weiteren Formen – der moslemischen und der christlichen – zu verwirklichen. Wenn es jedoch darum geht, jemanden für die Manifestation auf Erden zu erhalten, so ist das wirklich schwierig. Jemanden wie Vivekananda zu bekommen ist äußerst schwierig. Wer hätte Ramakrishna manifestiert, wenn Vivekananda nicht in den Westen gekommen wäre? Niemand. Verwirklichung selbst ist sehr schwierig, aber Ramakrishna erreichte sie. Er war der Körper, doch zur Manifestation brauchen wir auch Arme und Beine. Es ist wie bei einem Baum: ein Stamm alleine genügt nicht, es gehören auch Zweige dazu. Wenn keine Zweige vorhanden sind, wird niemand einen Stamm einen "Baum" nennen.

Warum konnte Ramakrishna die zweite Seele nicht näher zu sich bringen, damit sie unter seinem Einfluss gestanden hätte?

Sri Chinmoy: Sri Ramakrishna blieb nicht lange auf der Erde. Seine Zeit war begrenzt, hätte er acht weitere Jahre auf der Erde bleiben können, hätte er jemand anderen in einen Menschen vom Format Vivekanandas entwickeln können, wenn er gewollt hätte. Doch er wusste, dass seine Zeit begrenzt war. Selbst jene, die zu ihm kamen, kamen erst gegen Ende seines Lebens. Sie konnten kaum sechs oder sieben Jahre mit ihm meditieren, bevor er sie verließ. Selbst seine nächsten Schüler, jene, die zu der kleinen Gruppe um ihn gehörten, waren nur sehr kurze Zeit mit ihm zusammen.

Willst du, dass deine Schüler dasselbe Risiko eingehen?

Sri Chinmoy: Habe ich denn befreite Seelen unter meinen Schülern? Ich möchte, dass meine Schüler meditieren und dann in diesem Bewusstsein arbeiten. Inneres Streben und Manifestation – diese beiden Dinge gehen Hand in Hand. Während man manifestiert, strebt man. Manifestation ist auch eine Form des Strebens und kann von innerem Streben nicht getrennt werden. Indem man etwas manifestiert, strebt man nach mehr Wissen, mehr Licht, mehr Weisheit.

Wenn man also den Supreme erfüllen möchte, indem man in die Welt geht und dort manifestiert, besteht die Gefahr, dass man sein Licht verliert?

Sri Chinmoy: Diese Gefahr besteht immer. Sri Ramakrishna brachte eine zweite Seele herab, die an Stärke und Niveau derjenigen Vivekanandas entsprach, doch diesen Menschen sah er auf dieser Erde nie. Solch ein großer spiritueller Meister brachte zwei befreite Seelen herab – Vivekananda und eine andere. Doch die andere Seele fiel. Unwissenheit umhüllte diese Seele so stark, dass sie nie zu ihrem Meister kam und dass auch Ramakrishna sie nicht finden konnte.

Eine befreite Seele besitzt bis zu einem gewissen Grad Licht. Kann man trotzdem fallen, wenn man in die Welt eintritt, um den Willen des Supreme auszuführen?

Sri Chinmoy: Sicherlich, sicherlich.

Wer war Ramakrishna?

Sri Chinmoy: Ramakrishna ist das Kind von Mutter Kali, das Kind der göttlichen Mutter, die Mitleid und Liebe ist. Zuerst kam er zu Mutter Kali, der kosmischen Mutter und dann wurde er zur Mutter selbst.

Gibt es irgendeinen Unterschied zwischen den Lehren von Jesus und den Lehren des Yogas?

Sri Chinmoy: Letztendlich gibt es keinen Unterschied. Jesus verwirklichte Gott und er bot Gott der Menschheit an. Auch im Yoga ist es das letzte Ziel, Gott zu verwirklichen und ihn der Menschheit anzubieten. Im Yoga kennen wir vier Wege. Die ersten drei sind Hauptwege und der vierte ist eine Art Hauptast eines dieser Wege, jedoch ebenfalls sehr stark. Die drei Hauptwege sind: Karma-Yoga oder der Yoga des selbstlosen Handelns, Bhakti-Yoga oder der Yoga der Liebe, Ergebenheit und Selbsthingabe und Jnana- Yoga oder der Yoga der Weisheit. Im Jnana-Yoga gibt es einen bedeutenden Zweig, den man Raja-Yoga nennt, den Yoga der Mystik. Diese vier Wege führen uns alle zum vorausbestimmten Ziel. Da die Lehre von Jesus auf Liebe und Mitleid gegründet ist, gehört sie in die Kategorie des Bhakti- Yoga. Wir müssen jedoch erkennen, dass Liebe selbst Weisheit ist. Es ist falsch zu behaupten, Liebe sei eines und Weisheit etwas anderes. Derjenige, der Gott liebt, besitzt die größte Weisheit. Liebe und Weisheit können nicht getrennt werden. Auch Liebe und Dienst können nicht getrennt werden. Wenn ich jemanden liebe, diene ich ihm fortwährend. Der eigentliche Sinn und Zweck meines Lebens besteht darin, dem Menschen, den ich liebe zu dienen. Liebe ist Dienst und Liebe ist Weisheit. Wenn wir jedoch die Wege voneinander unterscheiden wollen, dann können wir sagen, dass dieser Weg Liebe, jener Weisheit, ein dritter Dienst verkörpert und so weiter. Um auf deine Frage zurück zu kommen: letztlich gibt es keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Lehren. Doch selbst wenn es sich um dasselbe Thema handelt, hat jeder Lehrer seine eigene Art, die Wahrheit zu interpretieren oder darzustellen. Wenn zwei Lehrer dasselbe lehren, werden sie es auf verschiedene Weisen tun. Doch die Prüfung wird dieselbe sein. Die höchste Lehre von Jesus und die höchste Lehre unseres Yoga ist bewusstes Einssein mit Gott. Christus sagte: "Ich und mein Vater sind eins". Wir Inder sagen: "Ich bin das Brahman". Das Brahman ist die absolute transzendentale Wirklichkeit und Wahrheit. Jesus vollbrachte vierundvierzig Wunder und hielt eine zutiefst fruchtbare, seelenvolle Predigt. Doch nicht wegen seiner Wunder ist er zum Herzen, zum Haupt und zum Lebensatem der Menschheit geworden, sondern weil er eines gesagt hat: "Vater, Dein Wille geschehe." Die Welt hat ihn wegen diesem göttlichen Ausspruch angenommen. Die Welt schätzt und verehrt ihn für diese göttliche Äußerung: "Vater, Dein Wille geschehe." Die spirituellen Meister versuchen sich den Umständen, dem erwachenden Bewusstsein jedes Einzelnen anzupassen. Gewisse Menschen finden es leichter, den Weg der Liebe zu gehen, während es anderen leichter fällt, dem Weg der Weisheit zu folgen. Wieder andere finden es einfacher, den Weg des selbstlosen Handelns zu gehen. Doch das Ziel, das ewige Ziel, bleibt dasselbe. Jene, die den traditionellen indischen Pfaden des Yogas folgen und jene, die dem Christentum, dem Weg von Jesus Christus folgen, werden letztlich am selben Ziel angelangen. Gott ist immer eins, doch die Wege können verschieden sein.

War Judas ein so schlechter Mensch oder war er einfach dumm? Wenn ich etwas über Judas lese, tut es mir manchmal leid, dass er so beschuldigt wird.

Sri Chinmoy: Man kann diesen Vorfall auf zwei Arten betrachten. Man kann einerseits sagen, Judas sei ein sehr schlechter Mensch gewesen. Es war allein seine Schuld. Nur wegen seiner niederen Natur sei Jesus gekreuzigt worden. Andererseits kann man auch sagen, dass Judas als ein Instrument von Gottes Willen gehandelt hat. Denn wenn Gott nicht gewollt hätte, dass sein Sohn gekreuzigt wird, hätte niemand Jesus ein Leid zufügen können. Gott wollte, dass Jesus gekreuzigt wird und gebrauchte Judas als Instrument dazu. Vom höchsten Standpunkt aus gesehen ist es für die Entwicklung der Welt manchmal notwendig, dass jemand auf der physischen Ebene ein Opfer bringt. Dein Sohn hört nicht immer auf dich, wenn du ihm sagst, dass er sich richtig benehmen soll. Doch wenn du einmal krank wirst, hört er auf dich. Indem Gott Christus das höchste Opfer darbringen ließ, beschleunigte Gott den Fortschritt der Menschheit. Wenn die Menschheit auf Jesus gehört hätte, wäre seine Kreuzigung nicht notwendig gewesen. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch die schlechten Kräfte ihre Rolle spielen. Von einem gewissen Standpunkt aus gesehen war die Kreuzigung Jesu ein großer Verlust für die Welt. Hätte Jesus einige Jahre länger leben können, dann hätte er Gottes Licht mehr manifestieren können, was der spirituellen Entwicklung der Welt geholfen hätte. Doch von Gottes ewiger Zeit aus betrachtet, war alles Teil eines kosmischen Spiels. Es ist eine äußerst komplizierte Angelegenheit und jeder Einzelne muß sie von seinem eigenen Entwicklungsniveau aus betrachten.

Erhielt Petrus denn nicht etwas Spezielles von Jesus?

Sri Chinmoy: Jesus hatte eine spezielle Anteilnahme für Petrus. Er machte ihn zum Oberhaupt der Kirche, weil er einen Führer brauchte. Als Führer erhielt er möglicherweise mehr als die anderen. Doch die Verwirklichung konnte Jesus keinem seiner Schüler geben, da sie nicht genügend Empfänglichkeit besaßen.

Warum gab Jesus keinem seiner Jünger Verwirklichung?

Sri Chinmoy: Wäre nur einer seiner Jünger bereit gewesen, wäre Jesus der erste gewesen, ihm seine Verwirklichung zu schenken, denn dann hätte er einen Teil seiner Lasten auf dessen Schultern legen können. Wenn wir auf der physischen Ebene etwas besitzen, geben wir anderen vielleicht nichts, weil wir nicht wollen, dass sich die anderen desselben Besitzes rühmen können. Wir sind unsicher. Doch auf der spirituellen Ebene verhält es sich nicht so. Wenn ich auf der spirituellen Ebene etwas erhalte, gebe ich es gerne weiter. Ich weiß, dass derjenige, der es erhält, wirklich für den Supreme arbeiten kann. In der spirituellen Welt ist es jedoch nur möglich, etwas zu geben, wenn die Person auch bereit ist zu empfangen. Ein Guru zu werden ist der schlimmstmögliche Fluch. Das Leiden, durch das ein wirklicher Guru geht, indem er mit seinen Schülern eins wird, ist wirkliche Qual. Ramakrishnas Theorie war, dass man immer ein Sucher, ein Kind bleiben sollte. Wenn man einmal ein Guru wird, muss man lernen, jeden Augenblick Gift zu trinken. Natürlich kann man im inneren Leben Nektar trinken, doch im äußeren Leben muss man Gift schlucken. Jesus wäre der erste gewesen, seinen Jüngern Verwirklichung zu schenken, doch welcher von ihnen war bereit, sie zu empfangen? Der eine verriet ihn, der andere verleugnete ihn, ein dritter zweifelte an ihm. Seine Schüler taten ihm alles mögliche an. Einige von ihnen erhielten keine Gelegenheit dazu, sonst hätten auch sie Ungöttliches getan. Dies ist das Schicksal aller spirituellen Meister.

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