Warum gehen manche Meister in die Welt hinaus, um ihre Anhängerschaft zu vergrößern?

Sri Chinmoy:
Ein wahrer Meister ist nicht an der Zahl seiner Schüler interessiert, da der Meister und der Sucher durch Gottes Gnade einander finden werden. Sri Ramakrishna jedoch stieg auf das Dach seines Hauses hinauf und rief nach spirituellen Schülern. Er fragte immer wieder Mutter Kali, warum die Schüler, die für ihn bestimmt waren, nicht kamen. Warum konnte er nicht auf die Stunde Gottes warten? Gottes Stunde hatte für Sri Ramakrishna bereits geschlagen, aber die Unwissenheit der Welt versperrte den Weg. Gott bat ihn, etwas zu tun, und gab ihm auch die Fähigkeit dazu, aber die Unwissenheit stand direkt vor ihm und verzögerte, verzögerte, verzögerte seine Manifestation. Sri Ramakrishna rief nicht nach Schülern, die kommen und seine Füße berühren würden. Er rief nach Schülern, die seine richtigen Arme und Hände sein würden, die mit ihm in das universelle Bewusstsein fliegen würden, die für ihn arbeiten und auf diese Weise für Gott arbeiten würden.
Niemand ist unersetzlich, das ist wahr. Doch gleichzeitig ist jeder Einzelne unersetzlich, so lange er in seinem inneren Streben und in seinem Dienst für die Mission des Supreme absolut aufrichtig ist. Aus Stolz und Eitelkeit heraus darf niemand fühlen, dass er notwendig ist; aber jeder ist notwendig, wenn er ein aufrichtiges, ergebenes, auserwähltes Instrument Gottes ist. Der Meister braucht Schüler, weil sie wie seine Hände, wie seine Gliedmaßen, wie die Erweiterung seines eigenen Bewusstseins sind. Und wenn er den Befehl vom Höchsten bekommt, dann muss er versuchen, diejenigen zu finden, die Teil seines Bewusstseins sein sollen, um ihm zu helfen, den Befehl auszuführen.
Früher pflegten spirituelle Meister zu sagen: „Wenn du etwas hast, werden andere zu dir kommen. Der Teich geht nicht zum Durstigen; der Durstige geht zum Teich.“ Das trifft vollkommen zu, wenn ein Erwachsener durstig ist. Aber wenn du weißt, dass die durstige Person noch ein Kind ist, ist es etwas völlig anderes. Wenn ein Baby in seinem Zimmer schreit, wird die Mutter gelaufen kommen, um es zu füttern. Die Mutter sagt nicht zum Kind: „Du musst zu mir kommen, schließlich willst du etwas von mir.“ Nein, die Mutter lässt alles stehen und liegen und läuft zu ihrem Baby.
Ebenso haben in der spirituellen Welt manche Meister das Bedürfnis, hinaus in die Welt zu gehen, da die äußere Welt in ihrem Bewusstsein noch ein Baby ist. Diese Meister fühlen, dass es viele Kinder gibt, die sich nach spirituellem Licht, nach spiritueller Weisheit und spiritueller Vollkommenheit sehnen, die aber nicht wissen, wo oder wie sie es finden können. Daher ziehen die Meister von Ort zu Ort und bieten ihr Licht an in der Absicht, der Göttlichkeit in der Menschheit zu dienen. Ich bin einer von ihnen. Ich ziehe umher, weil ich fühle, dass es aufrichtige Kinder gibt, die das Licht brauchen, welches mir der Supreme gegeben hat, um es der Menschheit anzubieten. Das ist der Grund, warum ich in so viele Länder auf der ganzen Welt reise, weil ich fühle, dass die äußere Welt mein Kind ist.
Wenn die Welt ruft und wir die Fähigkeit dazu haben, müssen wir sie nähren. Wenn ich die Fähigkeit habe, dir etwas zu geben, und zugleich auch fähig bin, zu dir zu gehen, warum soll ich dich dann zu mir rufen? Wenn ich die Fähigkeit habe, sowohl vor dich hinzutreten als auch dir das Licht zu geben, welches du möchtest, dann muss ich dies tun. Wenn ich die Fähigkeit dazu nicht habe, muss ich still sein.
Die äußere Welt ist sehr begrenzt im Vergleich zur inneren Welt. Die Länge und Breite der äußeren Welt beträgt nicht mehr als ein paar Tausend Meilen, aber die innere Welt ist grenzenlos. Ein spiritueller Mensch fühlt aufgrund seiner eigenen Verwirklichung, dass ihm alle Welten gehören, weil sein Meister, der Supreme, alle Welten durchdringt. Wenn nun der Supreme alles durchdringt, wieso sollte es dann unter der Würde Seines Sohnes sein, von einem Ort zum andern zu ziehen?
Es gibt verschiedene Wege, die Welt zu nähren. Spirituelle Bücher zu schreiben ist ein Weg; Vorträge zu halten ist ein anderer. Wenn jemand viele Fähigkeiten besitzt, warum sollte er sie nicht alle nutzen? Manche spirituelle Meister haben diese äußeren Fähigkeiten nicht. Sri Ramakrishna zum Beispiel konnte nicht schreiben. Aber das hielt ihn nicht davon ab, das Höchste zu verwirklichen. Gleichzeitig werden diejenigen, die fähig sind zu schreiben und Vorträge zu halten, dadurch ihre Gottverwirklichung nicht verlieren.
Gott spielt auf verschiedene Arten. Wenn Gott einem spirituellen Meister die Fähigkeit gibt, zu schreiben, Vorträge zu halten, Menschen zu begegnen und von einem Ort zum anderen zu reisen, dann ist das Gottes Angelegenheit. Der Meister führt nur Gottes Willen aus. Und wenn Gott einem Meister nicht die Fähigkeit zu schreiben oder zu sprechen gibt, dann können wir diesen spirituellen Meister nicht dafür tadeln oder sagen, dass er unterlegen sei. Wir müssen wissen, was Gott von uns will. Wenn Gott will, dass ich schreibe, wird Er mir die Fähigkeit dazu geben. Wenn Gott nicht will, dass du schreibst, wird Er dir diese Fähigkeit nicht geben. In beiden Fällen dürfen wir nichts daran auszusetzen haben.